Gegen den Strom

Gegen den Strom

Bei seinem Nahost-Besuch bestätigt Präsident Zeman seinen Ruf als Polterpolitiker und erntet Kritik. Sein pro-israelischer Standpunkt aber hat in Tschechien Tradition

9. 10. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: Ivan Dramlitsch; Foto: ČTK/Stanislav Peška

Miloš Zeman, das ist bekannt, hat eine sehr klare Meinung zum Nahostkonflikt: Er hat großes Verständnis für Israel und deutlich weniger Verständnis für die muslimische Welt. Und, Zeman ist ein Freund klarer Worte. Die höfliche Floskel, das unverbindlich Nebulöse, die diplomatische Verklausulierung sind nicht seine Art. Es verwundert daher nicht, dass Zemans Äußerungen zum Nahostkonflikt stets ein potentieller Eklat innewohnt.

Am Sonntag reiste der tschechische Präsident mit einer Delegation aus Wirtschaftsvertretern und Politikern nach Israel. Neben Treffen mit Präsident Schimon Peres und Premier Benjamin Netanjahu möchte sich Zeman während seines mehrtägigen Antrittsbesuchs für die Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern einsetzen.

Bizarre Vergleiche
Seine Polterqualitäten stellte Zeman schon vor seinem Abflug unter Beweis. Vor allem in der arabischen Welt sorgte sein Vorschlag, die tschechische Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, für mächtig Wirbel. Was zunächst harmlos klingen mag, ist tatsächlich eine radikale und international einzigartige Forderung. Den Disput um den bisher ungeklärten Status von Jerusalem – einer der heikelsten Streitpunkte zwischen Israelis und Palästinensern – würde dies einseitig zugunsten Israels beeinflussen. Die Empörung auf arabischer Seite war ebenso vorhersehbar wie das spätere teilweise Relativieren der Aussage.

Zeman scheint seine Provokationen zu genießen. Bereits 2002 hatte er, damals als Premierminister, in einem Interview mit einer israelischen Zeitung den damaligen Vorsitzenden Jassir Arafat mit Adolf Hitler verglichen. Die arabischen Politiker kochten vor Zorn, die Europäer schüttelten den Kopf. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte seinerzeit sogar einen geplanten Tschechien-Besuch ab. Zwar ruderte Zeman in Reaktion auf das internationale Echo zurück und sprach von einem „Missverständnis“ – glaubwürdig erschien dies im Kontext früherer Aussagen des Links-Populisten nicht.

So bezeichnete Zeman die muslimische Welt als „Anti­zi­vili­sation“, stellte einen schrägen Vergleich zwischen Palästinensern und Sudetendeutschen an, deren Vertreibung er rechtfertigte oder forderte die Aufnahme Israels in die NATO. Eines seiner beliebten „Bonmots“ zum Thema Islam geht so: „Nicht jeder Muslim ist ein Terrorist, aber jeder Terrorist ist ein Muslim“.

Und auch aktuell bereichert Zeman die Nahostdebatte um Beiträge, die selbst Israelis den Atem zu verschlagen scheinen. In einem am vergangenen Wochenende erschienenen Interview mit der israelischen Zeitung „Yediot Achronot“ kam die Sprache auf die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge – ein weiteres Schlüsselproblem im israelisch-palästinensischen Konflikt. Zemans Empfehlung: „Anstatt dass die Flüchtlinge auf eine Rückkehr in die Autonomiegebiete oder nach Israel bestehen, schlage ich Saudi-Arabien vor.“ Die ungläubige Rückfrage des Interviewers: „Wie Saudi-Arabien? Dass sie etwa nach Saudi-Arabien übersiedeln sollen?“ In der Tat: Laut Zeman sollen sie sich dort als Arbeitskräfte nützlich machen und ihre wirtschaftliche Lage verbessern. Eine „originelle aber durchführbare Lösung“, meint der tschechische Präsident. So untypisch und extrem diese und andere Nahost-Positionen für einen sich als „links“ bezeichnenden Präsidenten sein mögen, Zeman vertritt sie unabhängig von Alter und Funktion seit Jahren mit ungezügelter Rasanz.

Tradition verpflichtet
In Tschechien steht er damit jedoch nur in Bezug auf den Tonfall alleine da. Prags Nahost-Politik ist deutlich pro-israelisch. Experten erklären dies vor allem historisch. Sie verweisen auf den durch Tomáš G. Masaryk begründeten Philosemitismus der Ersten Republik, die Unterstützung der Tschechoslowakei für den neu gegründeten Staat Israel oder das tschechische Trauma „Münchner Abkommen“ und das daraus resultierende Verständnis für Israels reservierte Haltung gegenüber der Parole „Land gegen Frieden“. „Dieses Trauma der Kapitulation führte zu einer Bewunderung der israelischen Fähigkeit zu kämpfen. Für die Generation Tschechen, die im Schatten des Münchner Abkommens aufwuchsen, war die kommunistische Diktatur zwischen 1948 und 1968 eine Zeit, in der die israelische Fähigkeit zur Selbstverteidigung eine Quelle der Faszination darstellte“, schreibt beispielsweise die Nahostexpertin Irena Kalhousová.

Nach dem Ende des kommunistischen Regimes und seiner anti-israelischen Politik hat Tschechien schnell wieder an die alte israelfreundliche Tradition angeknüpft. Diese ging teilweise soweit, dass das Land innerhalb der EU isoliert war – wie beispielsweise 2009, als das tschechische Verständnis für eine israelische Militäroperation im Gaza-Streifen bei den Europäern für Kopfschütteln sorgte. 2012 stimmte Tschechien als einziges EU-Land gegen einen palästinensischen Beobachterstatus bei der UN.

Eine Frage des Stils
Allerdings bleibt diese Politik in Tschechien nicht gänzlich unwidersprochen. Vor allem Zemans exzentrische Alleingänge werden kritisiert. Eine pro-palästinensische „Initiative für einen gerechten Frieden im Nahen Osten“ meldete sich mit einem offenen Brief zu Wort. Auch politische Kommentatoren kritisieren die Vorstöße des Präsidenten. „Israel bringen sie nichts und Tschechien schaden sie. Wenn Prag im Nahen Osten eine Rolle spielen will, sollte man die Ideen vor allem mit den USA konsultieren. So sind wir ohne Rückendeckung dem Zorn der arabischen Welt ausgesetzt“, schrieb beispielsweise Petr Slezák in der Zeitung „Hospodářské noviny“.

Und auch Politiker unterschiedlicher Couleur gehen auf Distanz zu Zeman, auch wenn oft eher sein Stil, denn der Inhalt bemängelt wird. Dennoch könnte sich die Nahostpolitik mit dem zu erwartenden Regierungswechsel graduell ändern. Immerhin versprechen die Sozialdemokraten eine „ausgewogenere“ Position zu Israel. Wie diese jedoch mit einem Präsidenten, der als „überzeugter Zionist“ gilt, umzusetzen sein wird, bleibt abzuwarten.