Traditionspartei im Überlebenskampf

Traditionspartei im Überlebenskampf

Der große Parteiencheck – Teil zwei: Vor den Neuwahlen basteln die Bürgerdemokraten an einem Image als junge und transparente Partei. Das führt bis knapp zur Selbstverleugnung

18. 9. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: ODS

Die ODS macht Wahlkampf ohne ODS: „Volím pravici“, „Ich wähle rechts“, steht auf den Wahlplakaten. Daneben ein Hashtag – das Doppelkreuz, mit dem im sozialen Netzwerk Twitter Themen markiert und zu einer gemeinsamen Diskussion vernetzt wird. Und das Vögelchen aus dem Logo des Kurznachrichtendienstes. Vom ebenfalls geflügelten Parteilogo, der Friedenstaube, keine Spur. Vom Parteinamen, keine Spur. Das bürgerdemokratische Blau, mit dem die Aufschrift unterlegt ist, schien für die Wahlkampfstrategen genügend Assoziationen mit der ODS zu wecken.

Verdrängen möchte man so frische Erinnerungen an die rigide Sparpolitik, Steuererhöhungen, die Dauerkrise der Regierung Nečas und unzählige Korruptionsaffären. Die vorerst letzte Affäre, mit Geheimdienstmissbrauch und einer gefährlichen Liebschaft garniert, führte zum Sturz des Regierungschefs und Parteivorsitzenden und schließlich zu den vorgezogenen Parlamentswahlen am 25. und 26. Oktober: ein Urnengang, bei dem es für die Traditionspartei ums nackte Überleben geht.

Seitdem der Gründervater Václav Klaus 2008 aus der Partei aus- und als Ehrenvorsitzender zurücktrat, sehen sich die Bürgerdemokraten mit sinkenden Wählerzahlen konfrontiert: 35 Prozent bei den Wahlen 2006, 25 Prozent 2010. Prognosen für die Wahlen in fünf Wochen sagen der ODS zwischen 8 und 11 Prozent voraus.

Retten soll die konservativ-liberale Partei nun eine innovative Wahlkampagne. Ein Großteil der jungen, gebildeten Tschechen wählt  rechts. Im Internet sollen sie mit dem politischen Bekenntnis von den Wahlplakaten Kampagne machen.

Das Wahlprogramm wird die Führungsspitze häppchenweise an die Öffentlichkeit bringen – das soll eine längere Aufmerksamkeitsspanne der Medien garantieren. Am Mittwoch vergangener Woche präsentierte die ODS-Spitze um den Interimsvorsitzenden Martin Kuba auf der Terrasse des verglasten Hauptquartiers den Aperitif des Mehr-Gänge-Menüs: Jungen Unternehmensgründern versprach Kuba eine zweijährige Befreiung von der Umsatzsteuer. Firmen, die Berufseinsteigern eine Arbeit geben, sollen bis zu 80 Prozent der Sozialabgaben sparen können. Auch möchte man jungen Familien bei der Anschaffung eines Eigenheims finanziell unter die Arme greifen.

Man will „im besten Sinne des Wortes, junge Menschen zur Aktivität treiben, dazu, Eigenverantwortung zu übernehmen“, erklärte die Ex-Parlamentsvorsitzende Miroslava Němcová, Spitzenkandidatin im Wahlkampf 2013. Die 60-Jährige ist die Sauberfrau der Partei, sie soll den Bürgerdemokraten die Glaubwürdigkeit zurückgeben.

Am Montag verfütterte Ex-Bildungsminister Petr Fiala, Kandidat für die Region Südmähren, ein weiteres Häppchen an die Journalisten: Die  Einführung von Studiengebühren, die man noch unter Nečas vergeblich durchzusetzen suchte, wird es mit der „neuen“ ODS nicht geben. Das restliche Wahlprogramm soll dann hauptsächlich auf der sogenannten Agenda 2014 basieren, also auf einer euroskeptischen, neoliberalen und konservativen Politik.

Was nach außen wie bedachter Neustart aussehen soll, ist in Wahrheit eine innere Zerreißprobe. Das beweisen die vergeblichen Rufe nach der Rückkehr von Klaus, die Austritte zahlreicher Abgeordneter und vor allem die massenweisen Austritte in der Parteibasis: Alleine in diesem Jahr verlor die Partei 4.000 Mitglieder. Obwohl man sich der Kommunikation in den sozialen Netzwerken öffnet, innerhalb der Partei sind die Hierarchien klar verteilt. Nach Informationen der Tageszeitung „Hospodářské noviny“ kennt das vollständige Wahlprogramm neben Kuba, Fiala und Němcová im Moment nur ein weiterer Vizevorsitzender, der Ex-Justizminister Jiří Pospíšil.

ODS IM PROFIL

Gründung: 1991
Parteivorsitzender: Martin Kuba (vorübergehend nach dem Rücktritt von Petr Nečas)
Hauptsitz: Polygon House (Doudlebská 5, Prag 4)
Ausrichtung: neoliberal, konservativ
Europapartei: Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten (AECR)
EP-Fraktion: Europäische Konservative und Reformisten (ECR)
Mitgliederzahl: 21.495 (09/2013)
Farbe: Blau
Mandate im Abgeordnetenhaus: 53/200
Mandate im Senat: 5/81
Mandate im Europaparlament: 9/22