Im Klub der Entwicklungshelfer

Im Klub der Entwicklungshelfer

Tschechien tritt als erstes postsozialistisches Land dem Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit der OECD bei.
Eine Herausforderung: Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Hilfe

22. 5. 2013 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: C. Noutarde/OECD

Es ist ein großer Schritt, den Tschechien am Dienstag vergangener Woche in Paris getan hat. Und dennoch, von den heimischen Medien wurde die Aufnahme als 26. Vollmitglied in den Entwicklungshilfeausschuss DAC (Development Assistance Committee) der OECD nicht registriert. Dabei ist vergangene Woche eine Pionierleistung geglückt: Wie schon Ende 1995 bei der Aufnahme in die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat es Tschechien auch diesmal als erstes der postsozialistischen Länder geschafft, dem DAC, dem Club der traditionellen Entwicklungshilfegeber der OECD, beizutreten.

„Eine tolle Nachricht, eine Anerkennung dessen, dass sich die tschechische Entwicklungshilfe transformiert hat“, meint Šimon Pánek. Nicht nur der Leiter der bekanntesten humanitären Nichtregierungsorganisation in Tschechien, „Člověk v tísni“ (Mensch in Not) hofft, dass die Mitgliedschaft die Entwicklungshilfe weiter voranbringt. Auch Oldřich Pospíšil, der Vorsitzende des Verwaltungsrats von FoRS (Tschechisches Forum für Entwicklungszusammenarbeit), das mehr als 50 Organisationen repräsentiert, gibt sich zufrieden. Tschechien könne von internationalen Erfahrungen profitieren und sich aktiv in die Debatte über die Zukunft der Entwicklungshilfe einbringen.Es geschieht nicht oft, dass Nichtregierungsorganisation einen Schritt der Regierung derart positiv kommentieren. Im Gegenteil, auch in Deutschland wird gerne moniert: zu wenig Mittel, nicht effektiv genug, zu sehr den eigenen, wirtschaftlichen Interessen unterworfen und zu wenig an den Bedürfnissen der Menschen in den Entwicklungsländern ausgerichtet.

Von 16 auf 191 Millionen
Dass Tschechien seit seiner Aufnahme in die OECD 1995 Erhebliches geleistet hat, um auch auf dem Feld der Entwicklungszusammenarbeit gegenüber den westlichen Industrieländern aufzuholen, steht außer Frage. Allein zwischen 2000 und 2006 sind die Leistungen von nur 16 auf 191 Millionen US-Dollar emporgeschnellt. Seither hat sich der Anstieg verlangsamt. Der Anteil der Hilfe am Bruttonationaleinkommen stagniert seit 2006 um den Wert von 0,12 Prozent. Dabei hatte sich Tschechien ebenso wie die anderen 2004 der EU beigetretenen Länder verpflichtet, bis 2010 einen Anteil von 0,17 Prozent zu erreichen – bis 2015 lautet das Ziel gar 0,33 Prozent.
Die Trends entsprechen den Entwicklungen in anderen EU-Ländern. Ebenso wie die Stellungnahme des Außenministeriums, das in Tschechien nun alleine für die Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist. Man wolle grundsätzlich die eingegangenen Verpflichtungen einhalten, mit Blick auf die wirtschaftliche Rezession müsse man das Zeitfenster aber erheblich strecken. Es fällt allerdings auf, dass Tschechien in seinen Anstrengungen stärker nachgelassen hat, als die anderen EU-Neulinge – von Ungarn einmal abgesehen.

Finanzmittel sind jedoch längst nicht alles. Eine Prüfung des tschechischen Systems durch eine OECD-Mission hatte 2007 einige wichtige qualitative Mängel festgestellt, die vor dem Beitritt zum DAC zu beheben waren. Besonders problematisch:  die heillose Zersplitterung der Zuständigkeiten auf Regierungsebene – allein neun Ministerien pflegten ihre eigenen Entwicklungshilfe-Budgets – und die unverblümte Verquickung der Hilfe mit den Exportinteressen der tschechischen Wirtschaft.

Eine erneute Prüfung im März 2013 bescheinigte der Regierung, die wesentlichen Hausaufgaben erledigt zu haben. Zudem wurde eine politische Strategie für den Zeitraum 2010 bis 2017 verabschiedet, in der die geographischen und inhaltlichen Schwerpunkte festgelegt sind. Mit der Schaffung einer dem Außenministerium untergeordneten Entwicklungs-Agentur besteht nun – ähnlich wie in anderen DAC-Ländern – eine Fachorganisation für die Realisierung von Projekten und Programmen.

Moldawien und Kambodscha
Die Verknüpfung der Hilfe mit eigenen Wirtschaftsinteressen aber bleibt ein schwieriges Thema. Als DAC-Mitglied ist Tschechien nunmehr verpflichtet, die Bindung von Hilfszahlungen an Lieferungen tschechischer Unternehmen offenzulegen. Diese sogenannte Lieferbindung wird auch – so die Ankündigung der OECD – ein Schwerpunkt bei der nächsten Prüfung sein. Jana Miléřová, Direktorin von FoRS legt den Finger in diese Wunde: „Zweck der Entwicklungszusammenarbeit sollte nicht die Unterstützung des Exports unserer Waren und Dienstleistungen sein.“

Bei fortschreitender Rezession wird das jedoch immer mehr zu Wunschdenken – auch in anderen Geberländern; aus dem DAC in Paris ist von Bestrebungen einzelner Mitglieder zu hören, bei diesem Thema die Zügel zu lockern. Viele Länder sehen wie Tschechien in der Lieferbindung einen wichtigen Faktor, die Unterstützung der Bevölkerung für die Entwicklungshilfe zu stärken.

Entscheidend ist letztlich, was bei der Unterstützung am Ende herauskommt. Ein bedeutendes Projekt unterstützt Tschechien gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Entwicklung (GIZ) in der Republik Moldau: die endgültige Beseitigung von Pestiziden in einer Verbrennungsanlage für gefährliche Abfälle. Wegen der Wichtigkeit des Projekts für die betroffenen Regionen unterzeichnete Tschechien im September 2012 ein Memorandum über die Erweiterung dieser Aktivitäten. In Kambodscha, einem der ärmsten Länder der Welt, hilft die „Charita Tschechische Republik“ bei der nachhaltigen Verbesserung der Gesundheitsdienste.

Und wie steht es um die Wirksamkeit solcher Maßnahmen? Eines der Kriterien für den Beitritt zum DAC ist der Aufbau eines funktionierenden Evaluationssystems. Die neue Entwicklungsagentur ist dabei für das Monitoring laufender Projekte verantwortlich. Das Außenministerium dagegen führt Evaluierungen abgeschlossener Vorhaben aus. Gerade hinsichtlich einer klaren Auswertung von Maßnahmen verspricht man sich am Außenministerium neue Anstöße durch die DAC-Mitgliedschaft.