Zemans Versprechen

Zemans Versprechen

Das neue Staatsoberhaupt will den „unteren zehn Millionen“ dienen

30. 1. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: čtk

Ein Auftakt nach Maß sollte anders aussehen. Als Karel Schwarzenberg am Freitagnachmittag in der mittelböhmischen Gemeinde Sýkořice seinen Stimmzettel in die Wahlurne steckte, war bereits eine Stimme verlorengegangen. Denn der Präsidentschaftskandidat hatte es versäumt, den Zettel in einen Umschlag zu stecken und machte seine Stimme damit ungültig. Es wäre ärgerlich, wenn am Ende diese eine Stimme darüber entscheiden würde, wer der nächste Staatspräsident wird, scherzte Schwarzenberg.

Soweit kam es nicht, denn der Wahlerfolg für Miloš Zeman fiel eindeutig aus. Am Ende trennten die beiden Kandidaten mehr als 476.000 Stimmen. Während sich der Wahlsieger in einem Hotel inmitten Prags größter Plattenbausiedlung feiern ließ, gestand Schwarzenberg seine Niederlage im von Václav Havels Großvater errichteten Lucerna-Palast am Wenzelsplatz ein. „Ich denke, der große Stimmenunterschied war das Ergebnis der Kampagne der zurückliegenden Tage. Ich schlage ungern unter die Gürtellinie und würde auch niemals Lügen in meinen Anzeigen oder in Erklärungen meines Teams verbreiten“, sagte Schwarzenberg und meinte damit sicher auch die ganzseitige Anzeige, die tags zuvor in der meistgelesenen Tageszeitung des Landes „Blesk“ erschienen war. Kontrahent Miloš Zeman versicherte, er habe nichts mit dieser Negativ-Kampagne zu tun, in der Schwarzenberg unter anderem bezichtigt worden war, er würde die sogenannten Beneš-Dekrete als ungültig erachten und die Nachkommen der nach 1945 vertriebenen Sudetendeutschen entschädigen wollen. Auch wenn Strafanzeige gestellt wurde, da der Anzeigentext auf unwahren Behauptungen basiere und nicht namentlich gekennzeichnet sei: Mancher Leser des Boulevardblattes nahm den Aufruf „Wählt nicht Karel Schwarzenberg“ als letzte Entscheidungshilfe sicher wahr.

Hat die Negativ-Kampagne gegen Schwarzenberg die Wahl entschieden? Nicht ausschließlich. Zeman sei es vor allem gelungen, die linke Wählerschaft seiner Kontrahenten aus der ersten Runde anzusprechen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsinstituts Median. Diejenigen, die damals Jiří Dienstbier (ČSSD) und Jan Fischer wählten – immerhin ein Drittel der Wähler – hätten in der Stichwahl mehrheitlich für Zeman gestimmt, so die Meinungsforscher. Insgesamt votierten 54,8 Prozent für den früheren Sozialdemokraten. Vor allem die Landbevölkerung und sozial Schwächere hätten ihm ihre Stimme gegeben, meinen Wahlforscher. Dem künftigen Präsidenten fiel in diesem Zusammenhang ein Ausspruch von Staatsgründer Tomáš G. Masaryk aus dem Jahr 1920 ein: „Die Entwicklung geht nach links“, freute sich Zeman.

Der liberal-konservative Außenminister überzeugte vor allem die Bewohner der großen Städte. In Prag votierten zwei Drittel für Schwarzenberg. Die Wahlbeteiligung lag landesweit mit 59,11 Prozent knapp unter der des ersten Wahlgangs.

Zeman, der voraussichtlich am 8. März die Nachfolge von Václav Klaus antreten wird, gibt sich auch nach der Wahl volksnah und verspricht, er wolle ein Präsident der „unteren zehn Millionen“ sein, also fast aller Tschechen. Fast, denn: „Ich will kein Präsident der Mafia-Paten sein, die dieser Gesellschaft das Blut aussagen“, so der künftige Staatspräsident, der einst als Chef einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung den sogenannten Oppositionsvertrag aushandelte. Dieser sei für die wilden Privatisierungen und zahlreiche Korruptionsaffären verantwortlich, werfen Kritiker Zeman noch heute vor.

In die Politik wolle er sich viel stärker einmischen als seine Vorgänger, kündigte Zeman an. Der scheidende Präsident Klaus begrüßte erwartungsgemäß das Wahlergebnis (schließlich hatte er Zeman im Wahlkampf mehrfach unterstützt) und bediente sich dabei den Worten Václav Havels: Mit der Wahl Zemans hätten nun endlich „Wahrheit und Liebe über Lügen und Hass gesiegt“, sagte Klaus. Daraufhin bemerkte Wahlverlierer Schwarzenberg, es sei schön, dass der Präsident zumindest etwas von Havel gelernt habe.