Stilbildende Ikone

Stilbildende Ikone

Haus der Kunst in České Budějovice zeigt Bilder des deutschen Fotografen Wolfgang Tillmans

1. 12. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Harvard Astrophysics Institute, European Southern Observatory, 2012/Wolfgang Tillmans

 

Er wolle Unerklärliches anrühren und die Welt erkunden. Das sagte Wolfgang Tillmans über seine Arbeit, als er im März dieses Jahres den Preis der Hasselblad-Stiftung erhielt – weltweit eine der wichtigsten Auszeichnungen für Fotografen. „Für mich ist Fotografie ein Medium, mit dem ich über die Welt nachdenken kann, ohne Worte zu benutzen.“ An die Grenzen dessen, was er mit dem Medium erreichen kann, ist er noch nicht gestoßen. Deshalb setzt er sich unermüdlich mit der Fotografie und ihren Möglichkeiten auseinander.

Wer einen Einblick in die Bilder­welt des 46-jährigen Fotografen erhalten will, kann bis Ende Dezember das Haus der Kunst in České Budějovice besuchen. Dort präsentiert die Galerie für zeitgenössische Kunst und Architektur erstmals in Tschechien einen Querschnitt seines bisherigen Werks. Zu sehen sind neben großformatigen Fotografien auch Entwürfe für Zeitschriften und Magazine sowie experimentelle Arbeiten mit Fotokopierern.

Bekannt wurde Tillmans in den neunziger Jahren mit Porträts seiner Freunde und anderer junger Menschen aus seinem Umfeld. Seine Bilder aus der Londoner Club- und Homosexuellenszene brachten ihm den Ruf eines „Chronisten seiner Generation“ ein. Vor allem die Bilderserie „Lutz und Alex“ entwickelte sich zu einer stilbildenden Ikone, die sich auf dem schmalen Grat zwischen inszenierter und dokumentarischer Fotografie bewegt. Wegen seiner Nahaufnahmen nackter männlicher Körperteile wurde Tillmans mitunter vorgeworfen, skandalöse Kunst zu produzieren. „Aber was ist schockierend an Dingen, die die Hälfte der Menschheit besitzt?“, entgegnet Tillmans noch heute dem Vorwurf, bloß Genitalien abzubilden.

Später widmete sich Tillmans vor allem den Grundlagen der Fotografie. In seinen Werken thematisierte er immer wieder, wie Bilder entstehen und welche Macht sie auf die Gesellschaft ausüben. Von Kunsthistorikern wird er als origineller Künstler bezeichnet, der sich kritisch mit politischen und sozialen Problemen beschäftigt.

Im Jahr 1968 im nordrhein-westfälischen Remscheid geboren, zog Tillmans 1990 nach England. Als erster Fotograf und Nichtengländer wurde er 2000 mit dem renommierten Turner-Preis in London ausgezeichnet. In der britischen Hauptstadt eröffnete er 2000 die Galerie Between Bridges, um seiner Meinung nach zu wenig beachteten Künstlern eine Plattform zu bieten. Seit 2011 lebt und arbeitet Tillmans überwiegend in Berlin.

Wolfgang Tillmans. Dům umění České Budějovice, bis 27. Dezember, geöffnet: täglich außer montags 10–13 Uhr und 13.30–18 Uhr, Eintritt frei