„Wie ein göttlicher Schöpfungsakt“

„Wie ein göttlicher Schöpfungsakt“

Schriftsteller Akos Doma erzählt im PZ-Gespräch, wie er zum Schreiben gekommen ist

3. 9. 2014 - Text: Franziska Neudert, Foto: Hubert Klotzeck

Akos Doma wurde 1963 in Budapest geboren. Mit 14 Jahren kam er nach Deutschland, seitdem verfasst er seine Geschichten in deutscher Sprache. Sein Debüt „Der Müßiggänger“ erschien 2001, sein Romanzweitling „Die allgemeine Tauglichkeit“ zehn Jahre darauf. Für die Gaunerkömodie über vier arbeitslose Freunde erhielt er 2012 den Adelbert-von Chamisso-Förderpreis. Außerdem hat Doma zahlreiche Werke ungarischer Autoren ins Deutsche übersetzt, wofür er mehrfach ausgezeichnet wurde. Ein Stipendium des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren hat Doma nun in die tschechische Hauptstadt geführt. Mit PZ-Redakteurin Franziska Neudert sprach der 51-Jährige über Talent, Handwerk und sein Unbehagen gegenüber der heutigen Zeit.

Ihre Familie emigrierte aus Ungarn, als Sie acht Jahre alt waren. Über Italien und England kamen Sie schließlich nach Deutschland. Wo ist heute Ihre Heimat?

Akos Doma: Als Mensch ist Ungarn meine Heimat, als Schriftsteller ist meine sprachliche Heimat aber Deutschland und die deutsche Sprache. Ich fühle mich nicht der literarischen Tradition Ungarns zugehörig. Ich schreibe nicht auf Ungarisch, sondern auf Deutsch.

Warum schreiben Sie nicht auch auf Ungarisch?

Doma: Weil mein Ungarisch nicht so gut ist. Irgendwo muss man ja seine sprachliche Heimat finden. Bis ich acht Jahre alt war, habe ich nur Ungarisch gesprochen, bis 14 Englisch und ab dann Deutsch. Irgendwann muss man sesshaft werden. Und das war eben das Deutsche.

Werden Ihre Bücher ins Ungarische übersetzt?

Doma: Nein, aus meiner Sicht sind die Themen meiner Romane nicht unbedingt Themen, mit denen man sich in Ungarn beschäftigt. Ich schreibe Bücher, die sich gegen den Konsumrausch und die üblen Auswüchse des Kapitalismus und Liberalismus richten – also das, was manche Staaten im Osten erst noch erreichen wollen.

Sie übersetzen ungarische Literatur ins Deutsche, verfassen aber auch selbst Romane. Was ist schwieriger: einen Text zu übersetzen oder ihn selbst zu produzieren?

Doma: Einen Text zu übersetzen ist im Vergleich zum Verfassen eines Romans ein Kinderspiel. Eine Ebene fehlt ja. Beim Übersetzen ist das Produkt schon da, ich muss es nur sehr gut und nach bestem Gewissen übertragen. Beim Roman muss ich dagegen bei Null anfangen, das ist wie ein göttlicher Schöpfungsakt. Das ist das eigentlich Schwere. Beides ist hohe Kunst, aber beim einen kommt noch eine Ebene hinzu und die macht viel aus.

Wie sind Sie eigentlich zum Schreiben gekommen?

Doma: Das Schreiben ist zu mir gekommen! Und zwar über das Lesen. Ich habe während meiner ganzen Jugend viel gelesen. Bestimmte Werke haben mich wahnsinnig beeindruckt, wie zum Beispiel der „Graf von Monte Christo“. Wie die Figuren miteinander zusammenhängen, Handlung und Spannung aufgebaut sind, das hat mich unglaublich fasziniert. Das wollte ich auch machen. Der andere Grund, warum ich geschrieben habe – und ich glaube, so geht es vielen Schriftstellern– war eine gewisse Schüchternheit. Schreiben ist eine einsame Tätigkeit, dafür musste ich mich nicht mit jemandem auseinandersetzen. Und schließlich ist Schreiben auch eine Form der Lebensbewältigung, eine Art durchs Leben zu kommen.

Zu gutem Schreiben gehört ja auch eine Portion Handwerk. Wie haben Sie das erlernt, in einer Literaturschule?

Doma: Nein, ich bin überhaupt kein Fan von solchen Schulen. Da kommen gut geschriebene Texte heraus, die aber überhaupt nichts aussagen. Denn was man an diesen Schulen nicht lernt, ist der Anlass – warum muss ich schreiben? Ich habe einfach angefangen zu schreiben, etwa vor 40 Jahren. Die Texte hatten natürlich nicht die nötige Qualität. Aber irgendwann bekommt man das richtige Gefühl für die Sprache. Ich glaube nicht, dass ich besonders begabt bin oder mir irgendetwas angeboren ist. Von Wörtern wie Talent halte ich nicht viel. Es ist viel Übung, Sitzfleisch, Geduld, ja Handwerk nötig. Und das kann man erlernen. Und man muss natürlich genügend Leidenschaft zum Schreiben mitbringen.

Mit dem Stipendium im Prager Literaturhaus haben Sie ja sozusagen sechs Wochen geschenkte Zeit nur zum Schreiben bekommen. Funktioniert das denn: das Schreiben nach Zeitplan oder auf Knopfdruck?

Doma: Früher konnte ich fast nur nachts schreiben. Inzwischen aber teile ich mir den Tag ein. Und das funktioniert. Es ist ein Mythos, dass wir Schriftsteller nur nach Eingebung schrei­ben können. Wir sind keine Außerirdischen, sondern ganz normale Menschen und üben ein Handwerk aus.

Was lesen Sie selbst gern?

Doma: Ich lese fast nur Weltliteratur, da steckt mehr Substanz drin. Ich suche auch nach Neuem, finde aber nur selten etwas Gutes. Der beste Roman, den ich in den vergangenen zehn Jahren gelesen habe, ist Dino Buzzatis „Tatarenwüste“ von 1940 – die schönste Metapher des menschlichen Lebens, geschrieben in einem elegischen Stil.

Wie schätzen Sie denn Ihre eigenen Romane im großen Kosmos der Literatur ein?

Doma: Ich kann mich nicht mit Weltliteratur messen. Mir ist wichtig, dass der Text stimmig ist. Dazu gehört eine stimmige Psychologie, wobei der Realismus sehr wohl ins Irrationale, Magische kippen darf, wie er es im Leben auch tut.

Was treibt Sie an zu schreiben?

Doma: Um überhaupt mit dem Schreiben anzufangen, muss man aus meiner Sicht ein absolutes Unbehagen mit dieser Zeit empfinden. Wenn ich mit allem im Reinen bin, dann brauche ich nicht zu schreiben. Erst einmal kommt also das „Nein“. Ich schreibe gegen etwas an, versuche dem heutigen Zeitgeist etwas entgegenzusetzen. Und dann frage ich mich natürlich, was kann ich dem entgegenstellen, was ist wichtig? Liebe, Freundschaft und Gemeinschaft zum Beispiel.

Was wollen Sie denn mit Ihren Texten bewirken?

Doma: Indem ich so einen Text schaffe, kreiere ich für die Zeit, in der man ihn liest, eine Art Wirklichkeit. Ich will den Leuten damit etwas anderes geben. Ich glaube, man kann mit jeder kleinen Regung etwas erreichen, auch wenn man damit nicht unmittelbar die Weltgeschichte verändert.

Gelegenheit zu einer literarischen Kostprobe von Akos Doma haben Interessierte am 21. September. An diesem Tag liest der Autor im Rahmen der Veranstaltung „Literatur im Park“, die das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren im Stromovka-Park veranstaltet, aus seinem letzten Roman „Die allgemeine Tauglichkeit“.