Verbunden im Leben und im Tode

Verbunden im Leben und im Tode

Hundert Jahre nach dem Attentat von Sarajevo zeigt eine Ausstellung auf Schloss Konopiště Franz Ferdinand und seine Gemahlin von ihrer privaten Seite

7. 5. 2014 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: Kreis Mittelböhmen

„Also da ham sie uns den Ferdinand erschlagen“ – mit diesen Worten der Bedienerin an den „braven Soldaten Schwejk“ beginnt der gleichnamige berühmte Roman von Jaroslav Hašek. Und Schwejk fragt mit der für ihn typischen Mischung aus Naivität und Schlitzohrigkeit zurück: „Welchen Ferdinand, Frau Müller?“ Er kenne immerhin zwei Ferdinande in Prag. Noch bis Ende Oktober dieses Jahres könnte Schwejk auf dem Schloss Konopiště (Konopischt) nahe Benešov (Beneschau) eine mehr als erschöpfende Antwort auf seine Frage finden. Dort hat nämlich am 1. April aus Anlass des 100. Jahrestags der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie in Sarajevo am 28. Juni 1914 eine Ausstellung eröffnet, die uns das Leben und die Persönlichkeiten des österreichischen Thronfolgerpaares näher bringt.

Die Ausstellung ist überschrieben mit „Verbunden im Leben und im Tode. Verbunden durch den Ehebund – verbunden durch das gleiche Schicksal“. Entsprechend stehen die ungewöhnlich glückliche Liebesbeziehung von Franz Ferdinand und Sophie und deren jähes Ende durch das Attentat von Sarajevo im Mittelpunkt der auf drei Räume verteilten Exponate.

Zu sehen gibt es eine Vielzahl von Fotos aus dem Familienalbum, auf denen sich das Paar – oft auch mit seinen drei Kindern – von einer Seite zeigt, die den meisten seiner Zeitgenossen verborgen geblieben ist: heiter, gelöst, einander herzlich zugetan. Diese Bilder werden ergänzt von ausgewählten Gegenständen und Erinnerungsstücken, zum Beispiel von Auszügen aus der Familienkorrespondenz oder von Proben aus den Übungsheften des Tschechischunterrichts (beeindruckend die gestochen gleichmäßige Handschrift); Franz Ferdinand soll als Erwachsener leidlich tschechisch gesprochen haben.

Der Besucher gewinnt aber auch einen unmittelbaren Eindruck von der schweren Bürde, unter der die Beziehung von Beginn an gestanden hat. Sophie, obschon aus ältestem böhmischen Adel, war nach den Hausgesetzen der Habsburger keine standesgemäße Gattin. Als ebenbürtig galten nur Töchter aus herrschenden Adelshäusern. Im Falle des Thronfolgers wog eine solche Brautwahl doppelt schwer, denn der Wiener Hof mit dem Kaiser an der Spitze befürchtete kaum abschätzbare rechtliche und politische Folgen, Ansehensverlust einer ohnehin angeschlagenen Monarchie und eine nachhaltige Störung der hergebrachten Ordnung. Sogar die deutsche Diplomatie glaubte, über ihren Botschafter in Wien, Fürst Eulenburg, diskret das Berliner Missfallen in die Waagschale werfen zu müssen.

Lebenslange Ungnade

Aber Franz Ferdinand ließ sich durch keinerlei Druck von seiner Entscheidung abbringen. Seine Brüder und Freunde, die sich als Werkzeuge zur Überredung missbrauchen ließen, fielen lebenslang in Ungnade. Schließlich willigte Kaiser Franz Joseph in eine morganatische Ehe ein unter der Bedingung, dass Franz Ferdinand den Renuntiationseid leistete. Die Eidesformel ist in Kopie in der Ausstellung nachzulesen: In verschlungenen Wendungen beschwört er darin feierlich „für die in morganatischer Ehe Uns als Gemahlin anzutrauende Gräfin Sophie (…) und die unter Gottes Segen aus dieser Ehe zu erhoffenden Kinder und deren Nachkommen“ den Verzicht auf künftige Thronfolge und Angehörigkeit zum Hause Habsburg. Dass diese demütigende Zeremonie vor dem Kaiser, seiner Familie und dem gesamten Hofstaat am 28. Juni 1900 stattfand, also auf den Tag genau 14 Jahre vor dem Attentat, mutet im Rückblick gespenstisch an.

Besuchern der Ausstellung sei empfohlen, genügend Zeit einzuplanen, um an einer Führung durch die privaten Räume der Familie des Erzherzogs teilzunehmen (dritter Rundgang; Dauer: eine gute Stunde). Dieser Rundgang bildet eine in jeder Hinsicht sinnvolle Ergänzung zur Schau, deren Exponate zum Teil aus anderen Museen, Gedenkstätten und dem Familienarchiv zusammengetragen sind. Die Wohnräume vermitteln mit ihrem Reichtum an erhaltenen Möbeln, Gemälden, Spielzeug, Gebrauchsgegenständen und Erinnerungsstücken aller Art eine lebendige Vorstellung vom täglichen Leben der ab 1904 fünfköpfigen Familie. Das Kinderzimmer der beiden Knaben Max und Ernst wirkt mit dem aufgeschlagenen Indianerzelt so, als ob sie es soeben verlassen hätten. Malereien und Zeichnungen im Mädchenzimmer zeugen von der künstlerischen Begabung ihrer älteren Schwester Sophie.

Schloss Konopiště war der bevorzugte Wohnsitz Franz Ferdinands und seiner Familie. In Wien hielten sie sich nur auf, wenn es die Pflichten des Thronfolgers unumgänglich machten. Zwar hatte der Kaiser Sophie zunächst zur Fürstin und 1909 zur Herzogin mit der Anrede „Hoheit“ erhoben (unter den gegebenen Umständen die höchstmögliche „Beförderung“). Doch die öffentlich sichtbare und deshalb kränkende Zurücksetzung bei Hof und offiziellen Anlässen dauerte fort; Sophie durfte zum Beispiel an der Tafel nicht neben ihrem Mann sitzen, sondern stets nur an deren äußerstem Ende. Verständlich, dass die beiden das gemütliche Heim in der Abgeschiedenheit des böhmischen Schlosses vorzogen.

Franz Ferdinand hatte das zwar heruntergekommene, gleichwohl schön gelegene Schloss 1887 vom Fürsten Lobkowitz erworben. Seine Geschichte reicht bis ins Mittelalter zurück, erstmals erwähnt wurde es 1318 (zwei Jahre nach der Geburt Karls IV.). Unter den Vorbesitzern finden wir so klangvolle Namen wie Sternberg oder Wallenstein. Der Erzherzog ließ das Anwesen mitsamt seinem sehenswerten Park von Grund auf renovieren, wobei er als gewissenhafter Denkmalschützer Eingriffe in die historische Substanz vermied. Bei den westlichen und nördlichen Flügeln achtete er auf die Erhaltung des Festungscharakters, den südlichen Flügel aber gestaltete er mit dem Architekten Josef Mocker, der auch die Restaurierung der Burg Karlštejn leitete, in einem Stil, der an italienische Renaissancebauten erinnert.

Ein Höchstmaß an Luxus

Das romantisierende Äußere verbirgt die durchgreifende Modernisierung im Inneren: Elektrizität, fließendes Wasser, moderne Toiletten, Zentralheizung und sogar ein hydraulischer Aufzug sorgten für ein Höchstmaß an Annehmlichkeit. Beeindrucken wollte Franz Ferdinand auch mit der unglaublichen Menge an Jagdtrophäen, mit denen viele Wände dicht an dicht bestückt sind. Wenn man freilich weiß, dass der Thronfolger in seinem kurzen Leben knapp 275.000 Stück Wild zur Strecke gebracht hat (er führte seine Abschusslisten sehr sorgfältig!), taucht hinter den Tausenden von Geweihen, ausgestopften Köpfen und Fellen eine der dunkleren und unerklärbaren Seiten seines Wesens auf.

Kaiser Wilhelm II. war am 12. und 13. Juni 1914 der letzte bedeutende Besucher des Schlossherrn auf Konopiště. Um diesen Besuch rankten sich viele Jahre Gerüchte, die beiden hätten sich auf einen Krieg verständigt; aber das ist abwegig. Wenige Tage danach, am 17. Juni, reisten Franz Ferdinand und Sophie nach Bosnien ab. Zwei Wochen später, während ihrer Fahrt im offenen Wagen durch Sarajevo, erlagen sie dem vom serbischen Gymnasiasten Gavrilo Princip verübten Attentat. Des Thronfolgers Halsschlagader wurde von der ersten Kugel durchbohrt. Die zweite Pistolenkugel, die eigentlich dem verhassten österreichischen Landeschef von Bosnien und der Herzegowina, Oscar Potiorek, galt, wurde unglücklich abgelenkt und traf Sophie tödlich. Eines der letzten Worte von Franz Ferdinand, mit schon matter Stimme gesprochen, war: „Sopherl, stirb mir nicht, bleib für die Kinder!“ Bei der Ankunft im Hospital konnten die Ärzte nur noch beider Tod feststellen.

In einer Ausstellungsvitrine sind blutbespritzte Kleidungsstücke zu sehen, dazwischen die Kugel, die Sophie getroffen hatte. Man hat sogar das amtliche Schreiben nicht vergessen, mit dem das Wiener Oberhofmeisteramt die aus Sophies Leichnam herausoperierte Kugel an Graf Thun, den zum Vormund der Waisenkinder bestellten Schwager des Thronfolgers, zur Aufbewahrung und späteren Übergabe an die Kinder geschickt hatte.