„Ohne emotionalen Beigeschmack“

„Ohne emotionalen Beigeschmack“

Petr Rojík aus Kraslice gehört zur tschechischen Mehrheit und zur deutschen Minderheit. Seine Herkunft betrachtet er als einen Vorteil

22. 12. 2016 - Text: Corinna Anton, Titelfoto: privat

Petr Rojík kommt aus Kraslice (Graslitz), arbeitet als Geologe im Braunkohlerevier von Sokolov und unterrichtet als Externist an der Prager Karls-Universität. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzender des „Kulturverbandes der Bürger deutscher Nationalität in Tschechien“, der einen Teil der deutschen Minderheit im Lande vertritt.

Ich würde gerne ein Interview für die „Prager Zeitung“ mit Ihnen machen …
Wir haben die „Prager Zeitung“ zu Hause immer gründlich gelesen. Meiner Meinung nach war die „Prager Zeitung“ die beste, am meisten fundierte und informative, an die breiteste Leserschaft gerichtete deutschsprachige Zeitung in der Tschechischen Republik. Da jetzt auch die „Prager Zeitung“ das Schicksal der 2006 aufgelösten „Prager Volkszeitung“ ereilt, bleibt ein Vakuum, das die übrigen Vereins- oder Bundesperiodika mit ihren Mitteln, Ambitionen, ihrem journalistischen Know-how und ihrer Qualität nicht füllen können. Ich bin derzeit auch Mitglied des Rates für die nationalen Minderheiten bei der tschechischen Regierung. Als solche bedauere ich die Einstellung der „Prager Zeitung“, denn es handelt sich um einen Schritt gegen die proklamierten Ziele des Rates im Bereich Medien.

Dennoch ist es der „Prager Zeitung“ nicht gelungen, finanzielle Unterstützung von der tschechischen Regierung zu erhalten, um den weiteren Bestand zu sichern.
In den vergangenen zwei Jahren, seitdem ich im Rat bin, war die „Prager Zeitung“ nachweisbar nie Thema einer Verhandlung. Von Staatssekretär Milan Pospíšil erfuhr ich, dass er etwa vor zwei Jahren ein Gespräch mit der PZ geführt hat. Schon damals konnte er keine Unterstützung versprechen, denn die PZ profiliert sich nicht als Periodikum für die deutsche Minderheit in Tschechien, im Gegensatz zum Beispiel zum „Landes-Echo“.

Wie definieren Sie denn die deutsche Minderheit in Tschechien?
Ich würde sie durch die deutsche Sprache und ihre Dialekte, Kultur und Traditionen definieren. Sie ist in der Tschechischen Republik verstreut und kann sich nur inselartig, meistens in den Großstädten und in den Grenzgebieten, organisieren. Historisch sind diese Inseln nur dort geblieben, wo es nach dem Prager Frühling Ortsgruppen des Kulturverbandes gab.

Was heißt es für Sie persönlich, zur deutschen Minderheit in Tschechien zu gehören?
Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, ohne emotionalen Beigeschmack. Unter anderen Umständen hätte ich ja zum Beispiel auch als Pinguin, Tannenbaum, Alge oder Pilz auf die Welt kommen können. Aber ebenso gehöre ich auch zur tschechischen Mehrheit, denn ich stamme aus einer Mischehe. Diesen Mix betrachte ich als einen Vorteil. Menschen wie ich sind mehr als die Politiker in der Lage, das Verhältnis der Nationalitäten ohne ideologische Vorurteile zu bewerten. Auch mein Jahrgang 1957 ist ein Vorteil, denn ich kann das Leben vor und nach der Wende ohne ideologischen Ballast relativ objektiv vergleichen. Ich bin überzeugt, ein ehrlicher und engagierter Mensch bleibt es auch im schlechtesten politischen Regime und ein charakterloser Gauner bleibt so auch in den besten politischen Umständen. Charakter und Menschlichkeit sind mehr wert als die Zugehörigkeit zu einer Nationalität.

Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass die Minderheit ihre Identität bewahrt?
Sie hat generell auch den Tschechen viel anzubieten: das Wissen über die Wurzeln der Regionen und Familien, die Bereicherung und Vielseitigkeit der Kultur, der Industrie, des Bergbaus, der Gewerbe, und auch das Lernen gegenseitiger Toleranz.

Welche Rolle spielt dabei die ­„organisierte Minderheit“, etwa in Form des Kulturverbandes und der Landesversammlung?
Eine wesentliche Rolle, aber ich würde sie nicht übertreiben. Auch viele junge Tschechen, Studenten in den Universitäten, Forscher, Akademiker, Museen, Galerien, tschechische Vereine und private Personen spielen dieselbe Rolle, führen nützliche Projekte durch und reichen der deutschen Minderheit die Hand. Ich sehe die Zukunft der deutschen Verbände in der Zeit des Internets auch in der Verbindung mit den jüngeren tschechischen Organisationen.