Klare Diskriminierung

Klare Diskriminierung

EU-Gleichstellungskommissarin Jourová kritisiert Einkommenskluft zwischen den Geschlechtern in Tschechien

4. 11. 2015 - Text: Jan NechanickýText: jn/čtk; Foto: Flazingo Photos/CC BY-SA 2.0

In der Tschechischen Repu­blik verdienen Frauen durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer. Damit liegt das Land bei den Einkommensunterschieden zwischen den Geschlechtern europaweit an drittletzter Stelle und deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 16 Prozent. Darauf hat die tschechische EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung Věra Jourová am Montag in Prag hingewiesen.

„Heute ,feiern‘ wir den sogenannten ,Gender-Pay-Day‘. Ab jetzt werden Frauen statistisch gesehen bis ans Ende des Jahres nicht mehr bezahlt“, sagte die EU-Kommissarin. Doch nicht nur dieser symbolische Tag soll hierzulande auf die Missstände aufmerksam machen, sondern auch eine Kampagne, die derzeit von der Organisation „Otevřená spolecnost“ („Offene Gesellschaft“) unter dem Namen „fér platy – fér penze“ („Faire Löhne, faire Renten“) läuft.

Eines der größten Probleme, auf das Jourová während der Pressekonferenz aufmerksam machte, ist die besonders gravierende Auswirkung der Einkommenskluft auf die Höhe der Renten. Gehaltsunterschiede im erwerbstätigen Alter beeinflussen die staatlichen Zuschüsse nach der Pensionierung überproportional stark. So erhalten europäische Rentnerinnen im Durchschnitt 40 Prozent weniger als Männer. Frauen betrifft im hohen Alter deswegen ein doppelt so hohes Armutsrisiko. Während drei Viertel der tschechischen Frauen mit einer Rente unter 11.000 Kronen (rund 400 Euro) leben müssen, bekommen drei Viertel der Männer mehr als 12.000 Kronen (etwa 450 Euro), sagt Klára Čmolíková-Cozlová von der Prager Nichtregierungsorganisation „Gender Studies“.

Als Grund für die niedrigeren Löhne bei Frauen macht Jourová unter anderem die Segregration unter den Berufsgruppen aus. Weibliche Personen seien in der Regel öfter in Berufszweigen mit tieferen Gehaltsklassen tätig, etwa im Schul- oder Gesundheitswesen. Außerdem arbeiteten Frauen auch innerhalb der Betriebe häufiger auf niedrigeren Posten als Männer. Selbst wenn sie den gleichen Beruf ausübten, würden sie weniger entlohnt. „Das sind klare Verstöße gegen das Antidiskriminierungsgesetz“, so die EU-Kommissarin weiter. Und es käme auch noch die Tatsache hinzu, dass Frauen deutlich häufiger den Haushalt erledigen und pflegebedürftige Familienmitglieder versorgen. Während ein Mann durchschnittlich nur neun Stunden pro Woche mit solchen Aufgaben verbringt, kümmere sich eine tschechische Frau im Schnitt vier Stunden am Tag um ihre Familie, so Jourová.

Eine Analyse von „Gender Studies“ hat zudem ergeben, dass sich die Einkommensunterschiede mit dem Bildungsgrad und der damit in direkter Beziehung stehenden beruflichen Stellung sogar noch verstärken. Während das Gehalt bei Frauen mit Abitur im Schnitt ein Fünftel niedriger ist als bei gleich ausgebildeten Männern, liegt der Einkommensunterschied nach einem Hochschulabschluss bei 30 Prozent. In Führungspositionen beträgt er rund 27 Prozent.